• Die Körperpsychotherapie: Behandlung mit Potential oder Humbug?

    Die europäische Schulmedizin verfolgt schon seit langem den Ansatz, seelische und körperliche Probleme größtenteils getrennt zu behandeln. Andere Formen der Medizin wie die traditionelle chinesische Medizin oder die Homöopathie betrachten Körper und Geist in ihrer Gesamtheit, weil sie wissen, dass seelische Probleme körperliche Auswirkungen haben und sogar zu motorischen
    Funktionsstörungen führen können. In eine ähnliche Richtung gehen die Körperpsychotherapeuten. Hierzulande hat sich diese Form der Psychotherapie aber noch nicht als anerkannte Therapiemaßnahme durchgesetzt.

    Körperpsychotherapie - Körper, Geist und Seele

    Körper und Geist untrennbar verbunden

    Hinter dem Begriff „Körperpsychotherapie“ versteckt sich eine körperorientierte Psychotherapie, die mit vielen unterschiedlichen Psychotherapiemethoden arbeitet. Allen gemeinsam ist die Annahme, dass körperliche und seelische Welt eng und untrennbar miteinander verbunden sind. Deshalb kann man sich über die Körperwahrnehmung und über körperliche Diagnostik Zugang zur Psyche verschaffen und so auch unbewusste psychische Prozesse aufdecken. Dieser Zugang zur Tiefenpsychologie soll sich mit Hilfe der Körperpsychotherapie besonders gut verschaffen lassen, behaupten Anhänger der Methoden. Aber auch bei der Behandlung lässt sich das körperliche Erleben erfolgreich einsetzen – leider wissen nur wenig, wie das geht.

    Beispiele für tiefenpsychologisch bedingte körperliche Auswirkungen

    Viele Menschen haben ein intensives Empfinden für die Verbindung zwischen Körper und Geist. Menschen, die sich häufig Sorgen machen, leiden beispielsweise oft unter starken Verspannungen im Rücken oder unter wiederkehrenden Bauchschmerzen. Patienten mit Problemen in Schultern und Halswirbelsäule könnten im Alltag häufig „den Kopf einziehen“, weil sie Angst haben oder sich klein und unbedeutend fühlen. Spannend sind auch die Gesichtsfalten älterer Menschen. Lachfalten sind meist ein Zeichen für einen fröhlichen Geist, während Menschen mit herunter gezogenen Mundwinkeln oft ein sorgenvolles Leben führen. Gerade für Physiotherapeuten ist es oft nicht einfach, die wahre Ursache für eine Verspannung oder motorische Funktionsstörung zu finden. Wer seinen Patienten besser kennenlernt, wird aber oft entdecken, dass mehr hinter einem Krankheitsbild steckt als nur die körperlichen Auswirkungen.

    Zahlreiche Methoden – keine Belege

    Es gibt zahlreiche verschiedene Methoden, welche von der Europäischen Gesellschaft für Körperpsychotherapie anerkannt sind. Dazu zählen die Biodynamische Psychologie und Körperarbeit von Boyesen, die Bioenergetische Analyse von Lowen oder auch die Strukturelle Körpertherapie SKT sowie viele andere. Im Wesentlichen lassen sich die Methoden und Techniken in drei Varianten unterscheiden:

    - Körperliche Berührungen: von sanft zur Bewusstwerdung bis massiv zur körperlichen Veränderung
    - Körperliche Übungen: von minimalistischen Wahrnehmungsübungen bis zu echten Stress-Positionen
    - Körperachtsamkeit: Lenkung der Aufmerksamkeit auf das innere und körperliche Erleben

    Alle Techniken können sowohl zur Diagnose, Wahrnehmung durch den Patienten und zur Behandlung gezielt eingesetzt werden.

    Ein Schattendasein in der Psychotherapie

    Hierzulande gibt es derzeit nur eine geringe Anzahl von Psychotherapeuten, die nach einer oder mehreren Methoden der Körperpsychotherapie arbeiten. Etwas größer ist die Anzahl der Heilpraktiker, die eine psychische Betreuung anbieten, welche Körper und Geist als Einheit betrachtet und behandelt. Die Körperpsychotherapie wird von den Krankenkassen nicht bezahlt und kann höchstens im Rahmen der üblichen Therapie abgerechnet werden. Anders ist das in der Schweiz, wo die Körperpsychotherapie eine anerkannte Diagnose- und Behandlungsmaßnahme ist.

    Fazit: Wiederkehrende Verspannungen und motorische Einschränkungen können auch seelische Ursachen haben. Der behandelnde Physiotherapeut kann seinem Patienten am ehesten helfen, indem er gut zuhört und den Patienten bestärkt, Sorgen und psychische Probleme beim Arzt anzusprechen. Es ist wünschenswert, dass in Zukunft die Behandlung durch Psychologen und Physiotherapeuten hier besser ineinander greift und enger zusammenwächst.