• Behandlung der Stressinkontinenz – Grenzen der Physiotherapie aufgezeigt

    Vor allem Frauen ab 50, die zuvor ein oder mehrere Kinder geboren haben, entwickeln häufig mit zunehmendem Alter eine Harn-Inkontinenz. Die verschiedenen Formen der Inkontinenz werden je nach Schwere und Ausprägung unter Beachtung des Allgemeinzustands der Frau behandelt. Für leichte Formen und natürlich auch zur Prophylaxe sehr beliebt und bewährt ist die
    physiotherapeutische Betreuung in Form von gezielter Beckenbodengymnastik. Schwere Verläufe der Inkontinenz verlangen deutlichere Maßnahmen. Bei der Stressinkontinenz gab es in den letzten Jahren eine Veränderung der Therapiestrategie – hin zur ambulanten Operation. Eine Studie hat nun auch die Überlegenheit des spannungsfreien Vaginalbandes gegenüber der Beckenbodengymnastik bewiesen.

    Symptome und Beschwerden bei Stressinkontinenz

    Bei einer Stressinkontinenz, wie sie viele Frauen mit fortschreitendem Alter entwickeln, kommt es vor allem bei körperlichen Anstrengungen zum ungewollten Harnverlust. Auch körperliche Reaktionen wie Husten oder Niesen können dabei zu Harnverlust führen. Für die Frauen ist der ungewollte Austritt des Harns im Alltag eine große Belastung, lassen sich doch Husten oder Niesen nicht planen oder vermeiden. Viele Frauen tragen anfangs einfach spezielle Einlagen, scheuen jedoch den Gang zum Arzt. Dabei würden genau diese Frauen von einer intensiven Beckenbodengymnastik am meisten profitieren. Mit dem Fortschreiten der Inkontinenz steigt der Leidensdruck und der Gang zum Arzt wird notwendig.

    Beckenbodengymnastik

    Verschiedene Behandlungswege

    Im Wesentlichen gibt es zwei Strategien zur Behandlung der Stressinkontinenz: Beckenbodengymnastik oder Operation. Mit Hilfe der physiotherapeutisch unterstützten und geleiteten Beckenbodengymnastik soll der Beckenboden gestärkt und damit die Eigenkontrolle wieder hergestellt werden. Seit Längerem gibt es aber auch die Möglichkeit, die Stressinkontinenz operativ zu behandeln. Die Verfahren wurden in den letzten Jahren stark weiter entwickelt und haben deutlich an Sicherheit und Wirksamkeit zugenommen.

    Operative Behandlung: das spannungsfreie Vaginalband

    Seit einigen Jahren hat sich eine ambulante Operation durchgesetzt, bei welcher ein spannungsfreies Vaginalband eingesetzt wird. In den meisten Fällen kommen dafür ein TVT – ein Tension-free Vaginal Tape – oder ein TVT-O – ein Tension-free Vaginal Tape Obturator – zum Einsatz. Über einen Schnitt in der vorderen Scheidenwand wird das Kunststoffband aus Polypropylen unterhalb der Harnröhre platziert. Mit Hilfe zweier kleiner Hautschnitte oberhalb des Schambeinknochens werden die Enden der Schlinge nach oben geführt. Obwohl die Einlage der Schlinge spannungsfrei erfolgt, bietet das Kunststoffband nach der Fibrosierung ein die Urethra verschließendes Widerlager. Dadurch wird der ungewollte Harnverlust durch Belastung verhindert. Die Operation erfolgt ambulant und gilt als sehr gut verträglich. Nur etwa 10 Prozent der Frauen berichtete über leichte Beschwerden oder erlitt Komplikationen.

    Studie in den Niederlanden vergleicht Wirksamkeit der Verfahren

    In den Niederlanden wurde in den letzten Jahren eine Studie durchgeführt, welche in über 20 Zentren die Wirksamkeit der beiden Verfahren verglichen hat. Mit mehr als 460 Teilnehmerinnen mit mittelschwerer bis schwerer Stressinkontinenz lieferte die Studie deutliche Ergebnisse zum Einsatz von Physiotherapie und ambulanter Operation. Die Frauen hatten dabei die Möglichkeit im Verlauf der Studie den ihnen zu Beginn zugelosten Arm zu wechseln, was auch fast die Hälfte der Frauen im Physiotherapie-Arm in Anspruch nahmen. Nur gute 10 Prozent verzichteten zugunsten der Beckenbodengymnastik auf die Operation.

    Deutliche Studienergebnisse sprechen für OP

    Am Endpunkt der Studie wurden die Frauen hinsichtlich ihrer Zufriedenheit befragt und natürlich auch die Untersuchungsergebnisse der betreuenden Ärzte ausgewertet. Die Zufriedenheit der Frauen sprach Bände: während bei den operierten Frauen über 90 Prozent sehr zufrieden mit der Behandlung waren, äußerten sich nur knapp 65 Prozent der Frauen im Physiotherapie-Arm derart positiv. Auch die Untersuchungsergebnisse belegen den Eindruck, sind doch über 85 Prozent der Frauen im OP-Arm nach einem Jahr beschwerdefrei während dieses Ergebnis im anderen Arm nur gerade mal die Hälfte erreichte.

    Fazit: Aus Sicht der Physiotherapie belegt die Studie einerseits die Wirksamkeit der Beckenbodengymnastik, zeigt zugleich aber auch deren Grenzen auf. Im Alltag heißt das, dass Frauen, die mit den Ergebnissen der Physiotherapie nicht zufrieden sind, auf ihrem Weg zur ambulanten Operation begleitet und unterstützt werden sollten.