• Gibt es einen Säuren-Basenhaushalt wirklich oder ist das bloss esoterisches Geflunker?

    Genau diese Frage stelle ich mir seit Jahren. Auf YouTube, Instagram oder sogar im Fernsehen kokettieren Menschen mit Lebensmitteln, die angeblich “ungesund” und daher als “säurebildend” gebrandmarkt werden – und das sind natürlich genau die Dinge, die uns am besten schmecken: Fleisch, Fett, Alkohol, Zigaretten. Diese Produkte werden oft als die Bösewichte der Ernährung dargestellt, um uns von einer vermeintlich besseren Lebensweise zu überzeugen. Es wirkt fast so, als würde hier eine moderne Variante der katholischen Kirche versuchen, den Menschen Verzicht zu predigen – ein Unterfangen, das diese seit Jahrhunderten recht erfolglos betreibt.

    Gleichzeitig werden Lebensmittel, von denen wir ohnehin wissen, dass sie gesund sind, wie Obst und Gemüse, in ein neues Licht gerückt. Selbst saure Zitronen, die ihrem Namen nach “sauer” sein sollten, werden als “basenbildend” bezeichnet. Ist das nun eine bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnis, die ich bisher verpasst habe, oder handelt es sich schlichtweg um Esoteriker auf einer Mission?

    Gehöre ich zu den Unwissenden, oder sind hier vielleicht doch einige Scharlatane unterwegs, die mit Halbwissen ihre Botschaften verbreiten? - Der Begriff “Säuren-Basen-Haushalt” hat einen wissenschaftlichen Hintergrund, wird jedoch oft in esoterischen oder pseudowissenschaftlichen Kontexten falsch interpretiert und überstrapaziert.

    Wissenschaftlicher Hintergrund zur These des Säuren-Basen-Haushaltes

    • Was ist der Säuren-Basen-Haushalt?

    Der Säuren-Basen-Haushalt beschreibt die Fähigkeit des Körpers, den pH-Wert des Blutes und anderer Flüssigkeiten in einem engen, lebenswichtigen Bereich (ca. 7,35-7,45 im Blut) zu halten. Dies wird durch verschiedene Puffersysteme (z. B. Bikarbonat-System), die Nieren und die Atmung reguliert.

    Merke: Der Körper verfügt über effektive Mechanismen, um Überschüsse an Säuren oder Basen auszugleichen, unabhängig von der Ernährung.

    • Ernährung und pH-Wert:

    Bestimmte Lebensmittel beeinflussen den pH-Wert des Urins, aber nicht des Blutes. Zum Beispiel können proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch und Käse saure Stoffwechselprodukte hinterlassen, die über die Nieren ausgeschieden werden. Obst und Gemüse gelten als “basenbildend”, da sie Mineralstoffe wie Kalium enthalten, die den pH-Wert des Urins erhöhen können. Dies hat jedoch wenig Einfluss auf den Blut-pH, da der Körper diesen streng reguliert.

    Kritik an der populären Theorie des Säuren-Basen-Haushaltes


    Die Vorstellung, dass eine “säurebildende Ernährung” Krankheiten wie Osteoporose oder Krebs fördert, ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt und wird oft übertrieben dargestellt:

    1. Blut-pH bleibt stabil:

    Die Ernährung hat nur einen sehr geringen Einfluss auf den Blut-pH, da der Körper ihn über Puffersysteme reguliert. Ein Abweichen vom Normalbereich führt zu schwerwiegenden medizinischen Zuständen wie Azidose oder Alkalose, die jedoch selten durch die Ernährung entstehen.

    2. Urin-pH als Fehlschluss:

    Der pH-Wert des Urins variiert stark, je nachdem, was man isst. Dies zeigt nur, wie der Körper überschüssige Säuren oder Basen ausscheidet, ist aber kein Indikator für den “Gesundheitszustand” des Körpers.

    3. Osteoporose-Theorie:

    Die Behauptung, dass säurebildende Lebensmittel den Körper dazu zwingen, Kalzium aus den Knochen zu ziehen, um Säuren zu neutralisieren, ist nicht ausreichend belegt. Studien zeigen, dass andere Faktoren wie Kalziumaufnahme, Vitamin D und Bewegungsmangel wichtiger sind.

    Die Idee, dass eine “basenbildende Ernährung” Krankheiten verhindert oder eine “säurebildende Ernährung” schädlich ist, hat wenig wissenschaftliche Basis. Eine ausgewogene Ernährung mit Obst, Gemüse, moderatem Konsum von Fleisch und Vermeidung von übermäßigem Zucker und Alkohol ist unabhängig von diesen Begriffen gesund. Die populäre Theorie über den Säuren-Basen-Haushalt ist daher stark vereinfachend und grenzt in vielen Darstellungen an Esoterik.

    (Bild von -Rita-👩*🍳 und 📷 mit ❤ auf Pixabay)