Was ist CD2AP – und was hat es mit Alzheimer zu tun?
CD2AP, kurz für CD2-associated protein, ist ein sogenanntes Adapterprotein. Es hat keine enzymatische Funktion im klassischen Sinn, sondern ist ein Koordinator: Es hilft Zellen dabei, ihre Struktur zu organisieren, miteinander zu kommunizieren und äußere Signale in Handlungen zu übersetzen. Besonders wichtig ist CD2AP in den Endothelzellen – also jenen Zellen, die die Innenwände von Blutgefäßen auskleiden.Im Gehirn ist das Endothel von besonderer Bedeutung: Es bildet die Blut-Hirn-Schranke, die unser Denkorgan vor schädlichen Substanzen schützt, aber gleichzeitig selektiv Nährstoffe hineinlässt. Ist diese Barriere gestört, gelangen Entzündungsstoffe, Toxine und sogar fehlgefaltete Proteine ungehindert ins Gehirn – ein möglicher Mitverursacher der Alzheimer-Pathologie. Studien zeigen, dass Menschen mit niedrigem CD2AP-Spiegel in den Hirngefäßen häufiger kognitive Defizite aufweisen. Besonders betroffen sind laut Forschungsergebnissen Männer, während Frauen offenbar besser geschützt sind. Die Mechanismen sind noch nicht abschließend geklärt, doch sie deuten darauf hin, dass Alzheimer zum Teil auch eine „Gefäßkrankheit“ ist – im wörtlichen Sinn.
Was bedeutet das für die Praxis – speziell für die Physiotherapie?
In der klassischen Physiotherapie liegt der Fokus bei älteren Patientinnen und Patienten häufig auf Mobilität, Gleichgewicht, Sturzprophylaxe und Schmerzbehandlung. Doch bei vielen dieser Patientengruppen liegt auch eine kognitive Einschränkung vor – nicht selten unerkannt. Wer heute mit geriatrischen oder neurologischen Patienten arbeitet, begegnet unweigerlich auch den Vorboten der Alzheimer-Krankheit: leichten Aufmerksamkeitsstörungen, verzögerter Informationsverarbeitung oder verminderter Umstellungsfähigkeit in der Bewegung.Hier setzt das neue Wissen über CD2AP an. Denn wenn Alzheimer auch über vaskuläre Mechanismen verstärkt wird, dann ist jeder physiotherapeutische Einfluss auf das Gefäßsystem und den zerebralen Blutfluss potenziell auch ein Beitrag zur Prävention oder Verzögerung der Erkrankung. Und genau hier liegt eine große Stärke der modernen Physiotherapie.
Bewegung als vaskuläre Intervention
Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert nicht nur die Muskelkraft und Balance, sondern fördert nachweislich die endotheliale Funktion – auch im Gehirn. Studien zeigen, dass Ausdauertraining die Durchblutung des Gehirns verbessert, neuroprotektive Faktoren wie BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) ausschüttet und sogar Entzündungsparameter senken kann. Auch die Bildung neuer Gefäße (Angiogenese) wird angeregt. Wenn CD2AP – wie vermutet – an der Integrität der Blut-Hirn-Schranke beteiligt ist, dann kann Bewegungstherapie indirekt zu ihrer Stabilisierung beitragen. Eine gut durchblutete, funktionierende Gefäßstruktur ist somit mehr als nur ein “kardiovaskulärer” Benefit – sie ist potenziell ein Baustein kognitiver Gesundheit.Frühwarnzeichen erkennen – ganzheitlich handeln
Physiotherapeut:innen nehmen oft als Erste subtile Veränderungen wahr: Die gewohnte Übung fällt schwerer, Anweisungen werden falsch ausgeführt oder Reaktionen verlangsamen sich. Gerade bei älteren Männern mit bestehenden Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose, Diabetes oder Bluthochdruck lohnt sich eine erhöhte Aufmerksamkeit. Sie gehören zur Risikogruppe, bei der ein niedriger CD2AP-Spiegel besonders problematisch sein könnte. Hier kann interdisziplinäre Zusammenarbeit – etwa mit Hausärzt:innen, Geriater:innen oder Neurolog:innen – entscheidend sein.Was jetzt zu tun ist
Zwar gibt es noch kein Medikament, das gezielt auf CD2AP abzielt, doch die Konsequenzen für die Praxis sind bereits heute greifbar. Patient:innen mit vaskulären Risikofaktoren und beginnenden kognitiven Einschränkungen profitieren besonders von einer bewegungsbasierten Therapie, die individuell angepasst ist und sowohl körperliche als auch geistige Herausforderungen bietet. Dual-Task-Training, Gangtraining mit kognitiver Anforderung oder einfach strukturierte Alltagsaktivitäten mit Bewegungskomponenten können helfen, das vaskuläre System im Gehirn aktiv zu halten.CD2AP ist kein gängiger Begriff im physiotherapeutischen Alltag – noch nicht. Doch mit dem wachsenden Wissen über die Rolle des Gefäßsystems bei Alzheimer wird deutlich: Bewegung ist Medizin, auch für das Gehirn. Und Physiotherapeut:innen stehen dabei an vorderster Front. Wer vaskuläre Gesundheit fördert, unterstützt auch kognitive Resilienz – ein Gedanke, der dem Berufsfeld eine zusätzliche Tiefe und gesellschaftliche Relevanz verleiht. Nicht nur Muskeln wollen bewegt werden – sondern auch die Gefäße im Kopf. Und das beginnt oft auf der Therapiebank.
(Pexels Anna Shvets )