• Ich bin doch kein Arzt, aber …“ – Die Leber im physiotherapeutischen Alltag

    In der Praxis erzählen Patientinnen und Patienten oft mehr, als man im Lehrbuch erwartet. Zwischen Schulter-Nacken-Verspannung und Beckenbodentraining geht es plötzlich um Müdigkeit, Blähbauch, Druck im rechten Oberbauch – oder darum, dass man sich nach einer Antibiotikatherapie irgendwie „nicht mehr ganz richtig“ fühlt. Und auch wenn wir als Physiotherapeutinnen und Therapeuten keine medizinische Diagnose stellen oder Therapie verordnen dürfen, stellen wir doch oft fest: Die Leber spielt bei vielen mehr mit, als ihnen bewusst ist.

    Und das ist auch logisch. Denn die Leber ist nicht nur das größte Stoffwechselorgan des Körpers, sondern auch das belastbarste. Sie entgiftet, baut Medikamente ab, reguliert den Blutzucker, produziert Gallensäuren, verarbeitet Eiweiße – und kriegt dabei von außen erstaunlich wenig Beachtung. Jedenfalls bis sie muckert.

    Was kann die Leber aus dem Takt bringen?

    Antibiotika sind ein Klassiker. Nicht nur, weil sie die Darmflora verändern, sondern auch, weil sie über die Leber verstoffwechselt werden. Dazu kommen Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen, diverse Nahrungsergänzungsmittel, manchmal noch etwas Alkohol „zum Runterkommen“, und voilà – der Patient steht nach drei Wochen Medikamenten-Marathon bei uns auf der Liege und fragt sich, warum er sich schlapp fühlt, schlecht schläft oder der Bauch ständig spannt.

    Wie reagieren? Ohne zu therapieren. - Wir geben keine medizinischen Ratschläge – aber wir können Impulse setzen. Zum Beispiel mit einfachen Empfehlungen, die auf physiologischen Grundlagen basieren:

    1. Bewegung fördert die Durchblutung – auch der Leber.

    Gerade moderates Ausdauertraining, wie zügiges Gehen, lockeres Radfahren oder Schwimmen, verbessert die Mikrozirkulation im Bauchraum. Und die Leber liebt Bewegung: Sie arbeitet effektiver, wenn sie besser durchblutet wird. Wer also täglich 20–30 Minuten bewusst spazieren geht, tut nicht nur seinem Herz-Kreislauf-System etwas Gutes, sondern auch seinem Entgiftungsorgan.

    2. Trinken – aber bitte nicht das Falsche.

    Viele Patienten trinken schlicht zu wenig. Oder zu viel vom Falschen. Wasser ist simpel, aber unterschätzt. Zwei Liter täglich helfen, Stoffwechselprodukte auszuspülen, die Leber zu entlasten und Kopfschmerzen sowie Müdigkeit zu reduzieren. Kaffee ist übrigens (entgegen vieler Mythen) sogar leberfreundlich – wenn er schwarz ist und nicht in einen Sahne-Zucker-Milch-Mix verwandelt wird.

    3. Ernährung – weniger Fertig, mehr Frisch

    Wir sind keine Ernährungsberater, aber wir können auf Zusammenhänge hinweisen. Wer viele stark verarbeitete Lebensmittel isst, belastet seine Leber mehr – Stichwort Transfette, Zusatzstoffe, Zucker. Wer dagegen zu frischem Gemüse, gesunden Fetten und moderaten Eiweißquellen greift, unterstützt die Regeneration. Besonders hilfreich nach Antibiotika: fermentierte Produkte wie Sauerkraut oder Kefir, um die Darmflora – und damit auch die Leber – zu stabilisieren.

    4. Atmung, Haltung, Entspannung

    Was hat das mit der Leber zu tun? Eine ganze Menge. Die Leber liegt unter dem Zwerchfell – und wird bei flacher Atmung oder schlechter Haltung regelrecht „eingeklemmt“. Mit gezielter Atemtherapie, Mobilisation im Brustkorb und Aufrichtung im Alltag kann man indirekt auch der Leber Platz verschaffen. Zusätzlich senkt Stress die Leberdurchblutung – wer regelmäßig entspannt, entspannt auch sein Stoffwechselorgan.

    5. Gespräche als Gesundheitsimpuls

    Manchmal ist es nicht die Technik, sondern das Zuhören, was Patienten hilft. Wenn jemand von Müdigkeit spricht oder das Gefühl hat, „nicht mehr in Schwung zu kommen“, kann man ganz ohne medizinische Diagnose einfach nachfragen: „Wie war das denn in letzter Zeit mit Medikamenten oder Infekten?“ Oft ergibt sich daraus ein Moment der Reflexion – und manchmal auch der Anstoß, mit dem Hausarzt über Leberwerte zu sprechen oder gezielter auf sich zu achten.

    Die Leber wird oft übersehen – auch in der Reha.

    Als Physiotherapeut*in hat man eine besondere Nähe zum Patienten. Wer seine Rolle kennt, kann auch ohne Rezeptur viel bewirken: durch Bewegung, Haltung, Gespräche und achtsame Impulse. Die Leber sagt selten laut „Hallo“ – aber sie bedankt sich, wenn man ihr zuhört.


    (PIC VON GERALT AUF PIXABAY)