• Die Vojta-Therapie: Diagnose und Therapie nach dem Prinzip der Reflex-Lokomotion

    Die physiotherapeutische Betreuung von Patienten, die nicht aktiv an der Behandlung teilnehmen können, stellt für den Therapeuten eine besonders große Herausforderung dar. Mit Hilfe spezieller Diagnose- und Therapieverfahren lassen sich aber auch Patienten mit eingeschränkter oder nicht vorhandener Mitarbeit wie Säuglinge oder Patienten mit Hirnschäden wirkungsvoll behandeln. Eine besonders wichtige Rolle spielt die Vojta-Therapie, die nach dem Prinzip der Reflexlokomotion arbeitet, bei der motorischen Stimulation und Förderung von Frühgeborenen und Säuglingen mit Haltungsfehlern. Wer nach Vojta arbeiten möchte, sollte sich umfangreich fortbilden, um dem Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen.

    Die Vojta-Therapie im Überblick

    Die Vojta-Therapie wurde von Professor Vaclav Vojta begründet und entwickelt. Der gegen Ende des ersten Weltkrieges in Böhmen geborene Professor Vojta war Neurologe mit einer Spezialisierung auf Kinderneurologie. In den späten 60er Jahren emigrierte Professor Vojta von Tschechien nach Deutschland, wo er unter anderem in Köln und München arbeitete und lehrte. Der tschechische Neurologe entdeckte zu Beginn der 50er Jahre, dass zerebralparetische Kinder auf bestimmte Reize in bestimmen Körperlagen mit ganz bestimmten, immer wiederkehrenden motorischen Reaktionen antworteten. Die nach diesem Prinzip der Reflexlokomotion ausgelöste Stimulation führte bei den Kindern nicht nur zu einer verbesserten Beweglichkeit sondern vor allem auch zu einer deutlicheren Sprache und fortschreitenden geistigen Entwicklung.

    Die Anwendung der Die Vojta-TherapieVojta-Therapie

    Basierend auf diesen ersten Erfahrungen setzte Prof. Vojta seine Forschungen fort und entwickelte aufbauend auf seinen Beobachtungen die Vojta-Therapie. Er erkannte, dass sich diese bestimmten aktivierbaren Bewegungsmuster, die bei diesen Kindern in der Spontanmotorik nicht zu zeigen waren, aktivieren lassen. Dabei treten die Bewegungsmuster mit zunehmender Intensität und Häufigkeit der Aktivierung immer vollständiger auf. Prof. Vojta ging deshalb davon aus, dass es sich bei diesen infantilen Bewegungsstörungen um die Folgen von funktionellen Blockaden handelt. Mit Hilfe der Vojta-Therapie ist eine ganzheitliche Behandlung des Körpers für Patienten aller Altersklassen möglich. Das Erkennen und Lösen von funktionellen Blockaden steht dabei im Fokus der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen nach Vojta.

    Die Patienten in der Vojta-Therapie

    Wie schon beschrieben lässt sich die Vojta-Therapie bei nahezu allen Patienten durchführen. Allerdings steht sie vor allem bei der Behandlung von Säuglingen im Vordergrund, weil sich hier die nach dem Prinzip der Reflexlokomotion gestalteten Anwendungen besonders effektiv einsetzen lassen. Aber auch Erwachsene können von der Behandlung im Rahmen der Vojta-Therapie profitieren. Hierzulande ist die Vojta-Therapie das Mittel der Wahl bei der Therapie von Bewegungs- und Haltungsstörungen bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Kinderärzte überweisen dazu bei Hinweisen auf solche Störungen die kleinen Patienten an erfahrene Physiotherapeuten zur Frühdiagnostik nach Vojta. Eine umfangreiche Behandlung nach Vojta in frühem Alter sorgt dafür, dass sich falsche Bewegungsabläufe gar nicht erst festigen.

    Wichtig für Frühgeborene: motorische Stimulation

    Professor Vojta hat selber lange in München als Kinderneurologe gearbeitet und dort im Rahmen der Vojta-Therapie in hohem Maße Frühgeborene betreut. Die motorische Stimulation durch Aktivierung der angeborenen Bewegungsabläufe stellt einen wesentlichen Baustein in der medizinischen und physiotherapeutischen Betreuung von Frühgeborenen dar. Die Aktivierung der angeborenen Bewegungsmuster hat positive Wirkungen auf spontane Bewegungen ebenso wie auf die geistige Entwicklung.

    Die Diagnose nach Vojta

    Eine Diagnose nach Vojta ist immer eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Körpers. Dabei werden die Haltungs- und Bewegungsanteile in ihrer Gesamtheit betrachtet und vor dem Hintergrund des erreichten Aufrichtungsniveaus zur Befundung herangezogen. Man nennt diese Art der Befundung nach Vojta auch „globales Muster“. Basis der Betrachtung ist die spontane Bewegung in Rücken- und Bauchlage. Davon ausgehend lässt sich über eine Prüfung der sogenannten „sieben Lagerreaktionen“ eine Aussage zum erreichten Aufrichtungsniveau erreichen und eine Aussage zum globalen Muster im Verhältnis zum idealen Muster treffen. Bestehende Abweichungen stellen die sogenannten „zentralen Koordinationsstörungen“ dar. Ein weiteres wichtiges Element ist die Dynamik der Neugeborenen-Reflexe, auch als Primitivreflexe bezeichnet.

    Wesentliche Aspekte der Vojta-Therapie

    In der Vojta-Therapie wird nach dem Prinzip der Reflexlokomotion gearbeitet. Diese wird aus drei Grundpositionen aktiviert: der Lage auf Bauch, Rücken oder Seite. Über die Stimulation von bestimmten Zonen am Körper, den Armen und den Beinen lassen sich bestimmte Bewegungsmuster auslösen: das Reflexumdrehen und das Reflexkriechen. Über die Wahl und Einstellung der Winkelstellungen der Extremitäten sowie über den gezielten Aufbau von Widerständen, welche der Therapeut dem Bewegungsmuster entgegen stellt, lässt sich eine gezielte Aktivierung und Stärkung bestimmter Muskelgruppen erreichen. In der Praxis lässt sich dieses Grundprinzip in zahlreichen Variationen gezielt und effektiv anwenden. Allein von den drei Grundpositionen gibt es mehr als 30 Variationen.

    Die Rolle des Physiotherapeuten

    Die Ausbildung und die persönliche Erfahrung des Physiotherapeuten spielen eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg. Nicht nur bei der komplexen Diagnose, die eine Betrachtung des Gesamtbildes unbedingt erforderlich macht, sondern auch bei der individuellen Therapie der Patienten kommen die Erfahrung und das Gefühl des Physiotherapeuten für die Anwendung der Behandlungsmethode stark zum Tragen. Darüber hinaus kann zum physiotherapeutischen Behandlungskonzept bei Säuglingen auch ein Training der Eltern gehören, weil diese zu Hause mit Hilfe bestimmter Übungen weiter mit ihrem Kind arbeiten können. Hier sind Fingerspitzengefühl und ein gutes Auge für die Eltern gefragt.

    Fazit: Die Vojta-Therapie ist aus der modernen Physiotherapie nicht mehr wegzudenken. Das Diagnose- und Behandlungskonzept ist allerdings sehr komplex, weshalb viel Wert auf eine fundierte Aus- und Weiterbildung der Therapeuten, die nach Vojta arbeiten, gelegt werden muss.