Hallo TricePT,
das Knie hat ja eigentlich nichts anderes als eine Fraktur, die mit Schrauben konsolidiert wurde. Diese Schrauben ermöglichen die Stabilität der Tuberositas auf Zug jedoch nicht auf Druck, deshalb das totale Belastungsverbot.
Der knöcherne Durchbau von Tuberositas und Tibia dauert 6 Wochen. Erst danach kann die Knieflex über 90 Grad beübt werden. Da die Patientin noch jung ist, stehen die Chancen gut die Beweglichkeit des Knies nach dem knöchernen Durchbau innerhalb von einigen Wochen wieder gut hinzukriegen.
Das Problem ist ja hauptsächlich, dass durch das Bewegungsverbot über 90 Grad Flexion die Kapsel des Kniegelenkes einsteift. Auch die Menisken sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, der Quadrizeps ist verkürzt, die Hüftextensoren sind schwach geworden, der Gastrocnemius ebenfalls. Die lumbale Wirbelsäule, besonders der thoracolumbale Übergang ist, falls es bisher noch nicht beübt wurde, in Extension und Rotation eingeschränkt. Das heißt unterm Strich, dass die physiologischen Bewegungsmuster nicht mehr vorhanden sind.
Ich kann dir nicht sagen, wann die Patienten wieder arbeiten kann. Da sie ja auch gehen muss, sollte das Gangbild vor Arbeitsbeginn wieder ok, das Knie reizfrei und stabil, und vor allem die Extension des Knies muss vor Arbeitsbeginn endgradig möglich sein. Die endgradige Extension des Knies ist extrem wichtig, da bei den letzten Graden der Extension die Tibia die sogenannte Schlussrotation (AR) macht, eine Zwangsbewegung bedingt durch die Kondylenform des Femurs. Ist diese Schlussrotation wegen einer noch geringen Extensionseinschränkung noch nicht möglich, würde beim Gehen der mediale Meniskus überlastet.
Behandlungstechnisch würde ich z.Zt. folgendes empfehlen:
- aktive Extension beüben in RL und im Stand in offener Kette. Das Üben im Stand hat den Vorteil, dass das Hüftgelenk und die Wirbelsäule physiologisch mitbewegen muss.
- aktive Flexion wie Radfahren in Seitlage oder im Stand in offener Kette (Hüfte, WS).
- isometrische Wechselanspannungen bei flektiertem Knie in Richtung Flexion und Extension (gute Möglichkeit den muskulären Zug auf die Menisken und die intramuskuläre Koordination für die Kniestabilität zu beüben) gegen leichten proximalen Wiederstand des Therapeuten.
- Koordinationsübungen für den Zug auf die Patella nach medial und auch nach lateral in RL mit leicht unterlagertem Knie.
- im Sitz und im Stand aus verschiedenen Graden Flexion des Knies einen Ball schießen (kennst du diese ganz weichen Bälle, ich glaube sie heißen Overball, die sind dafür bestens geeignet, da sie praktisch kein Gewicht haben).
- PNF-Hüft-Pattern für die lumbale Beweglichkeit und Koordination.
- im Sitz exzentrische und konzentrische Muskelarbeit für die seitliche Bauchmuskulatur (wichtig fürs Gangbild).
- Abd der Hüfte der nicht betroffenen Seite beüben (wichtig fürs Gangbild).
- für die Zeit bei erlaubter Vollbelastung finde ich das Springtrainig auf das betroffene Knie sehr sehr wichtig. Das beübt sehr gut die Stabilität und die Koordination. Bei mir verlässt kein Kniepatient die Praxis, bevor er sich erstens wieder traut auf sein Knie zu springen, und zweitens das Springen keinen Schmerz mehr hervorruft.
Je fitter die umgebende Muskulatur, und je besser die Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit von Fuß-Hüfte-Wirbelsäule ist, desto schneller wird die Patientin wieder arbeitsfähig werden.
Der Schmerz an der Tuberositas ist völlig in Ordnung. Nie in einen scharfen Schmerz üben, ein starkes Ziehen ist erlaubt und müsste sich mit Training innerhalb der nächsten drei Wochen deutlich verringern.
Gruß von susn