Also ich muss jetzt auch mal was einwerfen. Finde den Kommentar von ExPhysio schon ziemlich deftig und versuche jetzt mal etwas abzumildern
Ich bin ehrlich, ich bin gelernte Masseurin und keine Physiotherapeutin, arbeite aber in einer normalen Physiopraxis und schildere mal meine Erfahrungen.
Was du verdienst hängst stark von der Arbeitsstätte ab. Aber 1500 netto ist realistisch. Wobei man eben sagen muss, je mehr Zusatzqualifikationen du hast umso mehr kannst du natürlich verlangen. Es sollte klar sein das du in einer 2-Mann-Praxis im kleinen Dorf nicht genausoviel bekommen wirst wie in einer renomierten Klinik, die sich eventuell auf hochwertige Therapiemethoden spezialisiert hat.
Ich kenne auch Praxen, wo das Arbeitsklima nicht so berauschend ist. Das wird es überall geben. Sicher kann es sein das man erst nach einiger Zeit, eine Arbeitstätte findet wo man sich wohl fühlt. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Du wirst lernen, was du willst und was nicht. Man sollte sich nicht alles bieten lassen, aber auch nicht bei der kleinsten Ungereimtheit aufgeben.
Meine beiden Chefinnen haben sich auch selbständig gemacht. Sie hatten natürlich den Vorteil, das sie sich das Startkapital, Miete usw teilen können, da sie sich auch die Räumlichkeiten teilen. Trotzdem arbeitet jeder in seine Tasche. Sie waren vorher jahrelang in der näheren Umgebung angestellt und haben somit schon einen Teil der Patienten mit in die neue Praxis "mitgenommen", so haben sie nicht ganz bei null angefangen.
Die Praxis läuft sehr gut. Unsere Pläne (mittlerweile sind wir zu sechst) sind eine Woche im Voraus voll.
Ich mache im Moment eine Weiterbildung zur Manualtherapeutin, die mir bezahlt wird (das ist nicht überall die Regel, aber man kann mit dem Chef reden. Manche lassen sich sicher auch drauf ein das man sich die Kosten teilt, oder man bindet sich über ne gewisse Zeit an diesen Arbeitsplatz)
Mir bringt diese Weiterbildung für meinen Beruf sehr viel, da ich so noch ein paar Patienten mehr behandeln kann und ich so noch mehr Erfahrungen sammeln kann. Das wird sich auf meinen weiteren Berufsweg sicher positiv auswirken.
Es muss klar sein das dieser Job körperlich kein Zuckerschlecken ist. Jedoch muss ich nicht mit krummen Rücken (wie ExPhysio es beschreibt) an der Bank stehen. Denn man sollte schnell lernen rücken- und kräfteschonend zu arbeiten. Dazu stellt man die Bankhöhe richtig ein und achtet auf seine eigene Haltung während der Behandlung. Dann kann man das gut verkraften. Ich arbeite seit 2004 in diesem Beruf und habe meiner Meinung nacht nicht mehr Rückenbeschwerden als 90% der arbeitenden Gesellschaft.
Meine Patienten sind alle sehr nett. Man lernt mit der Zeit, wie man jeden einzelnen behandeln muss. Sicherlich verkraftet der eine mehr, der andere weniger Druck. Das nötige Feingefühl ist da einfach gefragt. Wenn man nachfragt, gibt der Patient schon Rückmeldung, und so kann es normalerweise nicht passieren, das sie sich beschweren. Sicher gibt es den einen oder anderen "schwierigen" Patienten. Den gibt es aber in jeder Branche. Egal ob du mit Patienten, Kunden oder Gästen zu tun hast, du wirst es nie allen recht machen. Aber es ist umso schöner wenn du positive Resonanzen bekommst und du siehst, wie dankbar dir manche Patienten sind, wenn sie endlich schmerzfrei sind, wieder laufen können oder selbständig ihren Alltag bestreiten können. Das ist der beste Lohn, glaub es mir.
Die Arbeitszeiten sind auch überall verschieden. In der Regel ist es aber schon so, das so eine Praxis von früh bis abends geöffnet wird, da viele eben erst nach der Arbeit einen Termin wahrnehmen können. Aber die Zeiten sollten gerecht unter den Kollegen aufgeteilt werden.
Schade finde ich das mein Vorredner beschrieben hat das er in der Ausbildung "viel Quatsch über sich ergehen lassen" musste.
Ich wüsste gern was er damit meint. Ich frage mich warum er dann überhaupt die Ausbildung zu ende gebracht hat wenn er da schon gemerkt hat das es nicht der richtige Job für ihn ist.
Die Grundlagen die in der Ausbildung gelehrt werden sind sehr wichtig. Genauso die Fachsprache, die hauptsächlich latein und griechisch ist. Keine Angst du musst jetzt nicht fliessend griechisch sprechen. Es geht rein um die medizinischen Fachausdrücke, die man beherrschen muss, um zu wissen was dein Patient eigentlich für eine Diagnose bekommen hat. Das wir dir aber beigebracht bis es dir aus den Ohren quillt

Ich habe bewusst "Grundlagen" geschrieben, da du in deiner beruflichen Laufbahn nahezu täglich etwas neues lernst. Jeder Patient ist speziell. Jeder hat eine andere Vorgeschichte und du wirst mit jeder Behandlung deine Erfahrungen machen, wie du ihm am besten helfen kannst. Du wirst Patienten haben, wo du deine Grenzen spürst, wo du einfach nicht weiterkommst. Und du wirst Patienten haben, die schon viel Therapien bekommen haben, viele Therapeuten schon aufgesucht haben und die vielleicht bei dir endlich eine erfolgreiche Behandlung erfahren. Du kannst dir vorstellen wie glücklich jemand ist, der jahrelang Beschwerden hatte und dann endlich Linderung oder gar Heilung spürt.
Es gibt ohne Zweifel Tage die deprimierend, anstrengend oder frustrierend sind. Nenn mir einen Beruf bei dem das nicht so ist.
Ob Physiotherapeut "dein" Beruf ist wirst du am besten feststellen, wenn du ein Praktikum machst und dir anschaust was alles so auf dich zukommen könnte. Nicht immer sehen Narben, Wunden oder Fehlstellungen besonders schön aus. Du hast täglich viel Kontakt zu deinen Patienten, im Sinne von anfassen. Dir darf es nicht zuwider sein, wenn jemand behaart ist, keine schöne Haut hat oder dir nicht sympathisch ist. Dir sollte es in erster Linie darum gehen, diesem Menschen seinen Alltag schmerzfreier und leichter zu gestalten.
Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen und dir einen kleinen Einblick verschaffen.
Ich wünsche dir ganz viel Erfolg mit deiner Berufswahl. Ich kann für meinen Teil sagen, das ich gerne Therapeutin bin.
Lg Mätti